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Primark: Die Geheimnisse einer irischen Erfolgsgeschichte

Zittern, Kreischen, Jubeln: So sieht der Hype um wahre Rockstars aus. Was früher nur aus Konzertsälen bekannt war, ereignet sich jetzt auf offener Straße. U2 haben es vorgemacht: Echte Rockstars kommen aus Irland. Von der grünen Insel im Atlantik stammt auch das Discounter-Label Primark: der Rockstar unter den Schnäppchen-Modeketten. Auf deutschem Boden ist um den Discounter seit 2009 ein wahrhafter Hype entbrannt. Das irische Label bringt deutsche Teenager seit der Eröffnung der ersten Deutschlandfiliale zum Kreischen und lockt sie mit Regelmäßigkeit schon im Morgengrauen vor die Geschäfte. Trendige Schnitte zu Preisen in Flohmarkthöhe: Besonders für junge Kundinnen ist Primark Kult. Was ein echter Kultrockstar sein will, hat selbstverständlich seine Erfolgsgeheimnisse. Für das irische Billiglabel liegt das Geheimnis im internen Konzept.




Rare Schäppchen: Das macht den Primark-Hype aus

Deutsche Modehäuser müssen sich warm anziehen: Seit 2009 konkurrieren sie mit dem Primark. Das in Deutschland eher junge Unternehmen hat Billigmarken wie H & M etwas Bedeutendes voraus: Bislang gibt es auf deutschem Boden weniger Primark-Filialen als solche der direkten Konkurrenz. Beim Shopping kauft man neben Hosen oder Shirts auch den Label-Lifestyle. Im Primark-Lifestyle steckt bis heute ein Tick Seltenheitsvorteil.

Wie eine Rarität fühlt man sich im Individualitätszeitalter gerne. Das gilt besonders, insofern es bezahlbar bleibt. Beides spielt bei Primark zusammen. Die Seltenheit ist für den bisherigen Hype um die Marke genauso entscheidend wie der Schnäppchenpreis. Primark-Gründer Arthur Ryan sieht den Erfolg seiner Kette im internen Konzept begründet, das an der richtigen Stelle spart.

Werbung überflüssig: Primark macht Mode zum Erleben

Qualitätsmaximum zu Minimalpreisen: Das will Primark laut eigenen Aussagen liefern, indem die Kette fast gänzlich auf Werbeausgaben verzichtet und sich auf Mund-zu-Mund-Propaganda verlässt. Dieses System passt in die Zeit sozialer Netzwerke perfekt. Die Primark Website ist selbst fast ein eigenes Netzwerk und lädt Kunden bereitwillig dazu ein, ihre Erfahrungen zu teilen. Fotomaterial von individuellen Primark-Styles landet dutzendfach auf der Seite des Labels. Die Beiträge regen zu reger Interkation über die Marke an und werden von Primark mit Gewinnaussichten belohnt. Das Primark-Erlebnis ist damit mehr als nur Einkaufen: Nach dem Shopping startet die eigentliche Action. Die irische Kette stellt Mode zum Erleben her und was erlebt wird, hat höheres Hype-Potenzial.

Bewusst bescheiden: Primark-Mode bleibt ein Geheimnis

Primark jacket, pants and shirt on a clothes rail
Laut Label-Gründer Ryan bleiben neben den Werbekonzepten auch Primarks Verpackungen und Etikette bescheiden. Damit spart das Label nicht nur im Vertriebsbereich, sondern auch in Sachen Produktion viele Kosten ein. Ohne Qualitätseinbußen in derselben Höhe zu verzeichnen, kann der Discounter nach eigenen Aussagen deshalb zu kleinem Preis Qualitätsware anbieten. Ebenso begrenzt wie die internen Ausgaben für Fachpersonal, Etikette und Verpackung bleibt bislang das Online Angebot des Shops.

Einen echten Primark Online Shop gibt es bisher nicht: Schließlich soll die Marke erlebt werden und zum Erleben passt aktives Shopping in den Fußgängerzonen besser als Einkaufen in den eigenen vier Wänden. Die mit dem Verzicht auf einen eigenen Primark Online Shop durchgesetzte Kostenersparnis setzt sich in Deutschland auch außerhalb des World Wide Web fort. Echte Filialen der irischen Marke sind im deutschsprachigen Raum mit etwas über 20 bislang eher eine Rarität. Nicht jede deutsche Großstadt verfügt überhaupt über einen Primark. Österreich hat 2017 nicht einmal zehn Filialen.

Mit der begrenzten Geschäftsunterhaltung spart der Discounter teures Personal und kann seine Preise guten Mutes weitersenken. Zum Seltenheitsvorteil der Marke passt alles davon ideal. Wer Primark-Artikel kauft, trägt vom Gefühl her ein Geheimnis. Weder übertriebene Etikette noch aufwendige Labelaufdrucke verraten, was der Kunde auf dem Leib hat. Nach Filialen muss man bewusst suchen, während man über Konkurrenten wie H & M an jeder zweiten Straßenecke stolpert. Primarks Konzept hat so nicht nur kostentechnisch seinen Sinn. Zusätzlich gibt es dem Kunden das Gefühl, dank eines Geheimtipps einer Secret-Shopping-Society anzugehören und trotz Billigpreisen etwas Besonderes anzuhaben.




Einmal hin, alles drin: Das verkauft Primark

Da der Hype um Primark deutlich auf dem Boden des Erlebenscharakters gewachsen ist, spiegelt sich selbiger auch im Sortiment. Leben steckt nicht umsonst in 'erleben': Deshalb hat Primark Artikel für alle Lebensbereiche. Einmal hin, alles drin: Ob es nun um Accessoires, Make-up, Kleidung oder Wohnartikel geht. Bilderrahmen stehen in Primark-Shops neben Lipgloss. Kleiderhaken hängen neben Blusen. Deko wie Blumentöpfe, Kerzen und Kissen stehen neben Wühltischen mit Unterwäsche. Der Fokus der irischen Marke liegt zwar auf Bekleidungsartikeln für Damen, Herren und Kinder, aber Beauty- und Wohnartikel schleichen sich zwischen die Kleidungsstücke. Hier und da gibt es sogar etwas, das einem den Einkauf versüßt: Nämlich Süßigkeiten und ähnliche Treats.

Gut aussehen zu Tiefpreisen: Primark Bekleidung & Beauty-Artikel

„Look good, pay less“, haben sich Bekleidungsartikel von Primark zum Motto gemacht. Das irische Label kopiert in seinen jugendlich geschnittenen Kollektionen permanent brandaktuelle Laufstegtrends und bietet die aktuellste Mode zum absoluten Tiefstpreis an. T-Shirts für zwei Euro sind bei Primark genauso denkbar wie Jeans für unter zehn Euro oder Jacken zu Preisen von 15 Euro. Kein einziges Kleidungsstück der Marke kostet mehr als 40 Euro.

Die trendorientierten Schnitte des Discounters sprechen vorwiegend jüngeres Publikum an. Besonders im Teenageralter sind die wenigsten Kundinnen und Kunden dazu in der Lage, Unsummen in ständig wechselnde Looks zu investieren. Primark ermöglicht ihnen dank Tiefpreisen die regelmäßige Investition. In der Beautyabteilung warten Parfums, Masken, Massageroller, Nagelaccessoire und Make-up-Artikel für weniger als fünf Euro und runden das "gute Aussehen für kleines Geld" ab. Trendausrichtung gibt es auch bei diesen Artikeln: Ob es um saisonale Trendfarben für Lippenstifte oder um Dufttrends geht.

Schön leben für kleines Geld: Primark Deko- & Wohnartikel

Dekoration mit Katze auf einem Haus
Sogar Ikea darf sich warmanziehen: Primarks Wohnartikel schlagen sogar die Spottpreise des schwedischen Möbelhauses. Gegen ein bisschen Kleingeld gibt es aus dem Haus des irischen Labels von Deko-Artikeln wie Kerzen, Pinnwänden, Kissen und Bilderrahmen bis hin zu Ordnern, Tassen, Trinkflaschen, Decken und Spiegeln ein buntes Allerlei aus Wohnweltartikeln. Wäschekörbe für sieben Euro, Teppiche für acht Euro und Tassen für 2,50 warten auf willige Käufer. Kleiner Haken: Das Wohnartikelsortiment von Primark wirkt nicht gerade erwachsen und richtet sich an jüngere Kunden und Kundinnen, die noch bei ihren Eltern wohnen. Eine gut duftende Wohnung dank spottbilligen Ölen und Duftkerzen dürfte auch für Erwachsene eine Überlegung wert sein. Marktforscher wollen trotzdem wissen, dass es erwachsenen Käufern gerade bei Wohnartikeln eher um bekanntermaßen hohe Qualität geht, wie sie ältere Kunden beim Einkauf im Discounter oft bezweifeln.




Irische Expansionsgeschichte: Wie Primark die Welt erobert

Irische Gasse geschmückt mit kleinen Fähnchen
Primarks charmante Erfolgsgeschichte hat ein bisschen etwas vom Geist eines irischen Wunders. Ende der 60er Jahre erhält der ehemalige Krawattenverkäufer Arthur Ryan von der Associated British Foods ein Startkapital von 50 000 Pfund, um eine Discounter-Kette in Irland aufzubauen. Mit dieser Aufgabe beginnt in den Folgejahren die Erfolgsgeschichte von „Penneys“, dessen erste Filiale in der Dubliner Mary Street steht und bis heute zu den Geschäftsräumen der Primark-Group gehört. Noch im selben Jahr öffnen im Großraum Dublin weitere Penneys-Läden. Der erste Shop außerhalb entsteht Anfang der 70er Jahre in Cork. Eine Erfolgsgeschichte ist die Geschichte von Ryans Tochter der Associated British Foods noch immer, nur der Name hat sich mittlerweile geändert.

Namensgeschichte: So expandierte Primark aus Irland heraus

Aus Penneys wird wegen Namensrechtsverletzungen der Marke J.C. Penney nach der Eröffnung von ersten Filialen in England die Primark-Gruppe. In Irland heißt Penneys noch immer Penneys, nur außerhalb ist der Primark-Name Standard. Mit dem neuen Namen erobert Ryans Unternehmen ganz Europa und sogar die USA. In den Niederlanden, Portugal und Belgien gibt es die ersten Primark-Filialen seit 2009. Nach Österreich expandiert Primark kurz darauf im Jahr 2012. Ein Jahr später folgt der französische Raum, wo heute ganze zehn Niederlassungen stehen. 2015 beginnt die Discountergruppe die USA zu erobern: Die erste Filiale in den United States öffnet in Boston und hat mittlerweile ganze sieben Geschwister erhalten. Italien hat seit 2016 einen Primark.

Mit der anhaltenden Expansion ändert sich auch das Gesicht hinter der Discounter-Kette. Vorstandsvorsitzender ist seit 2009 der Brite Paul Marchant, der damit in die Rolle von Firmengründer Ryan schlüpft. Insgesamt gibt es 2017 341 Primark Store in elf verschiedenen Ländern. Größter Shop überhaupt bleibt die dreistöckige Filiale in Manchester. Deutschland hat mehr als 20 verschiedene Filialen, so unter anderem in Dresden, Bremen, Frankfurt, Berlin und Hamburg. In Österreich gibt es bislang nur fünf Primarks, von denen der Wiener Laden der bekannteste ist.

Markengeschichte: Wie Marken bei Primark entstehen

Jegliche Primark Ware wird mit teilweise eigenem Handelsnamen exklusiv für das Label produziert. Fremdmarken gibt es bei Primark seit der Eröffnung der ersten Filiale nicht. Als Untermarken der hauseigenen Produktion gelten neben Rebel, Atmosphere, Early Days und Young Dimension die Marken Love to Lounge, No Secret, Otopia und Secret Possession. Schon in den 70er Jahren verlegte das Label seine Produktion in asiatische Billiglohnländer, betont allerdings immer wieder die ständige Überwachung des Fairtrade-Prinzips.

Zulieferer müssen ihren Angestellten laut dem Discounter neben Beschäftigungsfreiheit Koalitionsfreiheit und Tarifverhandlungsrecht ermöglichen. Auch sichere Arbeitsbedingungen, Umweltanforderungen und Kinderarbeitsverbot zählen laut Primark zu den Grundbedingungen für kooperierende Zulieferer. Dasselbe gelte für existenzsichernde Lohnzahlungen, den Ausschluss übermäßiger Arbeitsstunden und ein regelmäßiges Beschäftigungsangebot ohne Diskriminierung oder inhumane Behandlung. Mit jeder seiner Untermarken teilt Primark laut eigenen Angaben diese und ähnliche Werte der ABF-Familie.

Nachhaltigkeit & Ethical Trading: Diese Werte vertritt Primark

Primark Nachhaltigkeit mit einem Blatt mit Wassertropfen
Der ethische Handel fasst die Werte zusammen, für die sich Primark stehen sehen möchte. Trotz der Produktion in Billiglohnländern folgt die Marke den Prinzipien von Menschenrechten, tragbaren Arbeitsbedingungen und ethischen Geschäftsbeziehungen. Das international tätige Label betont regelmäßig, dass unternehmerische Tätigkeiten eine ethische Verantwortung bedeuten und positive Veränderungen in Gang setzen können. Trotz Vorwürfen wie Lohndumping und ähnlichen Kritikpunkten beharrt der Discounter darauf, dass alle Primark-Produkte ab der Herstellung international anerkannten Standards folgen.

Ein Team aus 80 Experten für ethischen Handel und Nachhaltigkeit kontrolliert laut dem Label rund einmal im Jahr die Einhaltung von Umwelt- und Menschenrechtsstandards in den zuliefernden Fabriken. Die Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen und globalen Partnern wie Better Work gehört zu Primarks Qualitätssicherung. Auch bei der Beschaffung von Rohmaterialien wie Baumwolle, bei der Kontrolle von ökologischen Auswirkungen der fabrikinternen Fertigungsvorgänge und im Recycling beweist das Billiglabel Verantwortung. Ein Beispiel aus dem Primark-Alltag: Kunden erhalten ihre Einkäufe seit Jahren in braunen Papiertüten. Bekannt ist die Marke außerdem für ihre Zusammenarbeit mit der britischen Wohltätigkeitsorganisation Newlife, die nicht verkaufte Kleidungsstücke einem wohltätigen Zweck zuführt und sie so vor der Mülldeponie bewahrt. Im Jahr 2017 bringt Primark erste Produkte aus nachhaltiger Baumwolle heraus, die einem Baumwollförderprogramm aus Indien entstammen und dafür bereits im Vorjahr den Corporate Engagement Award erhalten haben.

Qualität zu Tiefpreisen: Deshalb bleiben Primarks Preise im Keller

Finanzielle Einsparungen erreicht Primark nicht nur über Werbekosteneinsparungen, kontrollierte Expansion, Verpackungs- und Etikettenbescheidenheit oder den Verzicht auf einen Primark Online Shop. Auch der Massenverkauf und das Großproduktionskonzept helfen dem Discounter dabei, zu geringen Kosten qualitative Kleidung herzustellen. Ebenso hilfreich ist die Filialbeschäftigung von Studenten und ungelernten Angestellten, die sich unmittelbar auf die Artikelpreise auswirkt. Geringer Verwaltungsaufwand dank flachen Hierarchien spart dem Label ebenso viel.

Dasselbe gilt für intelligenten Technologieeinsatz, effizienten Vertrieb und den Verzicht auf wechselnde Kollektionen sowie Schlussverkäufe. Nach dem Erfolgsgeheimnis seiner Discounter-Kette gefragt, antwortet Primark-Vater Ryan deshalb regelmäßig, dass Primark den Discountgedanken einfach etwas anders angeht als die direkte Konkurrenz. deren Hauptaufmerksamkeit in Sachen Firmenausgaben dem Vermarktungsbereich zukommt.

Primark Zukunftsvisionen: Deshalb wird's mit dem Primark Online Shop nichts

Computer Screen showing Primark Online Shopping
In Zukunft geht nichts ohne einen echten Primark Online Shop, so möchte man vermuten. Dass Primark das anders sieht, bleibt allerdings fakt. Für die Zukunft plant das Label weiterhin langsamen Wachstum, der überlegten Strategien und altbewährten Standards folgt. Die Primark Chefs berufen sich auch 2017 darauf, ein eigentlich konservatives Unternehmen mit Glaube an den lokalen Verkaufsstandort zu sein. Obwohl die Nachfrage nach einem offiziellen Primark Online Shop stetig ansteigt und das Digitalzeitalter fast schon dazu prädestiniert ist, lokale Einkaufsstraßen vollständig abzuschaffen, will Primark das Einkaufen auch in Zukunft weiter als Erlebnis behandeln und lokale Geschäfte nicht einfach durch einen Primark Online Shop ersetzen.

Marktforscher halten diese Ablehnung für keine allzu große Überraschung. Online Shops aufzubauen und zu unterhalten, koste einiges an Geld. Zu einem Discounter passe das kaum. Ein gut angelegter Primark Online Shop würde Kunden zwar die Möglichkeit geben, überall und jederzeit beim Discounter einzukaufen und könnte hohe Summen abwerfen.

 

Nichtsdestotrotz konzentriert sich das Unternehmen auch für die Zukunft weiterhin auf den Erlebnischarakter, der den Hype um die Marke erst ausgelöst hat. Statt einem Primark Online Shop sind sieben neue Filial-Standorte in naher Zukunft allein für Deutschland geplant: darunter in Großstädten wie München. Ebenso wichtig ist es dem Label, sein Billigimage in die richtigen Bahnen zu lenken. Über Vorwürfe wie Hungerlöhne an Näherinnen oder eingenähte Hilferufe in der Labelbekleidung will die irische Marke hinwegkommen. Auch Futter für eine Wegwerfgesellschaft will das Label die eigenen Produkte nicht mehr nennen lassen.

Viel eher schleicht sich langsam ein erzieherischer Anspruch ein. Man müsse lernen, auch die billigsten Artikel nicht einfach wegzuwerfen, schildert der Primark-Chef den Anspruch. Wie genau die Marke diese Moral vermitteln möchte, bleibt bislang eins von den vielen Geheimnissen, die dem irischen Label erst zu seinem großen Erfolg verholfen haben. Dass ein Primark Online Shop zu dem moralischen Wertschätzungsanspruch nicht passen würde, liegt zumindest auf der Hand. Shoppingentscheidungen im World Wide Web verlaufen erwiesenermaßen unkontrollierter als im echten Leben. Was man egal für welchen Preis in der Filiale kauft, probiert man an, berührt es und baut eine sensuelle Beziehung dazu auf. Es dann einfach wieder wegzuwerfen, sollte daher zumindest schwerer fallen.